Yoga und Psychologie - ein Gastbeitrag von Dr. Nora Jacob

Ich habe Psychologie studiert, weil mich der Mensch, sein Erleben und Verhalten
interessieren und faszinieren. Insbesondere hat mich stets interessiert, was jeden von uns einzigartig macht und wie unsere Persönlichkeit unseren Lebensweg beeinflusst. Was mich am Yoga fasziniert hat, konnte ich lange gar nicht richtig benennen. Ich habe mich einfach zum Yoga hingezogen gefühlt, immer und immer wieder, bis es mich eines Tages so gepackt hat, dass ich es nicht mehr losgelassen habe. Inzwischen ergänzen sich diese beiden Welten, der Psychologie und des Yoga für mich an vielen Stellen sehr gut und gewinnbringend, denn im Kern geht es in beiden um die Selbsterkenntnis und die mentale Gesundheit des Menschen.

Yoga ist die Reise des Selbst durch sich selbst zu sich selbst (Bhagavad Gita).

Aber gehen wir nochmal einen Schritt zurück: Die meisten Menschen finden über den körperlichen Aspekt, die Asana Praxis zum Yoga. Die Bewegungen, die Stärkung und Dehnung zugleich bieten, führen meist dazu, dass wir uns wohler und verbundener mit dem eigenen Körper fühlen. Je tiefer wir ins Yoga eintauchen, desto wichtiger werden mit der Zeit die Pranayama- und Meditationspraxis – solche Aspekte des Yoga, die nicht sichtbar und „instagramable“ sind, sondern uns nach innen kehren lassen. Und genau darin liegt ein sehr großes Potenzial für die Stärkung unserer mentalen Gesundheit. Denn Yoga ist nicht nur eine Praxis auf der Matte, sondern es geht viel weiter. Durch Yoga können wir Achtsamkeit im Alltag, das Loslassen, etwas über Yogaphilosophie und Lebensleitlinien sowie stärkende Rituale lernen. Damit ist Yoga viel mehr als nur eine körperliche Betätigung. 

Yoga ist die Reise des Selbst durch sich selbst zu sich selbst (Bhagavad Gita). Yoga ist eine ganzheitliche, aus Indien stammende Lehre und Philosophie die das Ziel hat, die Fluktuationen des Geistes zu beruhigen und zu purem Bewusstsein zu gelangen. Einfacher formuliert könnte man sagen, Yoga hilft uns dabei, in eine tiefe Verbindung mit uns selbst und unserem Ursprung zu kommen. Insbesondere in der Welt, in der wir leben, die von Streaming-Diensten, sozialen Medien und langen Bildschirmzeiten geprägt ist, werden wir von wahrer Verbindung zu uns selbst sehr häufig abgelenkt. Ohne Pause wechseln wir von einem Bildschirm zum anderen, von einem Input zum nächsten. Das Buch “The Lost Connection" sieht diese verlorene Verbindung zu uns, zu anderen Menschen, zur Sinnhaftigkeit unserer Arbeit usw. als Hauptursache für die steigende Anzahl an Depressionen und Angsterkrankungen. Auf der anderen Seite gibt es inzwischen zahlreiche Studien zur positiven Wirksamkeit von Yoga auf unser psychisches Wohlbefinden.

Wie kann Yoga die mentale Gesundheit unterstützen?

Bereits eine gute Asana Praxis kann dazu führen, dass wir uns richtig gut fühlen. Der Körper wurde aufgewärmt, gestärkt, gedehnt, entspannt. Verspannungen dürfen sich lösen, Ungleichheiten wurden in Balance gebracht. Wenn wir dabei auch noch im Moment und ganz bei uns waren, dann haben wir auch Achtsamkeit praktiziert. Und im Moment zu sein macht uns nachweislich glücklicher, als in unseren Gedanken abzuschweifen.

Kombinieren wir die Asana Praxis mit Pranayama Techniken, also speziellen yogischen Atemübungen, wird sich dieser Effekt noch deutlich steigern. Nicht umsonst werden Atemtechniken u.a. auch in der Psychotherapie eingesetzt. Sie sind der schnellste Weg, um Einfluss auf unser vegetatives Nervensystem zu nehmen. So können wir Stress quasi weg-atmen, indem wir tief in den Bauch und bewusst lange und langsam ausatmen.

Insbesondere in Situationen die uns (über-)fordern und wenn wir das Gefühl haben, dass es nicht gut um unsere mentale Gesundheit steht, ist die Atmung unser größter Stellhebel. Wenn wir am Ende einer Yoga Praxis in Meditation sitzen, kann das zur Selbsterkenntnis, Verbundenheit und zur innerer Ruhe und viel mehr beitragen. Vor allem schenkt uns die Meditation, aber eine Pause vom ständigen Tun, Müssen und Aufnehmen von Informationen.

Eine Yogastunde kann sich so reinigend wie eine kleine Therapie anfühlen. Weil wir uns bewegen, bewusst atmen und mal nicht von uns selbst ablenken. Es ist Zeit für uns selbst und mit uns selbst. Das kann sehr erkenntnisreich und wohltuend sein. Die Psychologie und Psychotherapie bedienen sich zahlreicher Übungen und Entspannungsverfahren, die der Meditationspraxis entspringen, wie z.B. Bodyscan, Achtsamkeitsübungen und Muskelrelaxation. Manche Psychotherapeut*innen verfügen sogar über eine Yoga-Ausbildung und verbinden die beiden Welten ganz gezielt, wie z.B. Cuno und Richter, die Autoren des Buches "Yoga in der Psychotherapie".

Wann ist die Yoga und Meditationspraxis nicht zu empfehlen? 

Meiner Erfahrung nach hat die positive Wirkung von Yoga aber auch bestimmte Grenzen. Denn Yoga ist auch immer Konfrontation mit uns selbst und kann uns emotional fordern. In manchen Yoga-Praktiken sind wir ohne Ablenkung durch Musik oder visuelle Eindrücke nur mit uns alleine auf der Matte und das auszuhalten ist nicht immer leicht. In manchen Lebensphasen muss diese Selbstkonfrontation langsam und begleitet erfolgen. Wenn
psychische Belastungen mehrere Wochen andauern, du mit deinen Bewältigungsversuchen an deine Grenzen stößt oder gar überfordert bist, solltest du dir professionelle Hilfe z.B. bei einem Psychologischen Psychotherapeuten suchen. Wenn du Yoga zur Stärkung deiner mentalen Gesundheit nutzen möchtest, probiere ein paar positive Routinen zu schaffen, die dir im Alltag eine Auszeit schenken und gut tun. 

Hier eine Anregung, wie du starten kannst:

  • Setze dich morgens gleich nach dem Aufstehen auf deine Yogamatte, idealerweise auf ein Meditationskissen oder Bolster in einen bequemen Sitz mit gekreuzten Beinen. Schließe die Augen und beginne dann deine Atmung zu vertiefen. 
  • Fange nun an, deine Atmung bewusst zu lenken und zu zählen. Atme ein und zähle bis 4, halte die Luft für 4 Sekunden an, atme aus für 4 Sekunden aus, bleibe leer für 4. Wiederhole dies für ca. 5 min. 
  • Sitze dann noch ein paar Minuten in Stille und lass die Atmung wieder frei fließen. Beobachte, was sich verändert hat. Setze dann eine positive Intention für deinen Tag und nimm dir so vor, eine dir wichtige Qualität in deinen bevorstehenden Tag achtsam zu beobachten bzw. zu stärken.


Dr. Nora Jacob ist Psychologin und u.a. als Coach, Workshop-Moderatorin und Autorin tätig. In ihrem Podcast „creativity x you“ spricht sie über Kreativität und Positive Psychologie. Außerdem ist sie Yoga- und Meditationslehrerin in München und hat bei Insight Timer u.a. eine “Recharge-Meditation” hochgeladen, die du dir kostenfrei anhören kannst.

Hier geht es zur Webseite von Dr. Nora Jacob creativityxyou.com und hier findest du weiteren spannenden Content auf Instagram: the.psychologist.yogini 

 

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